29. September 2020 – Stefan Angele
Steht Deutschland eine ähnliche Entwicklung wie Spanien oder Frankreich bevor, wo sich die Corona-Infektionszahlen über den Sommer hinweg erfreulicherweise kaum nach oben bewegten, dann aber wieder explodierten? Kanzlerin Merkel glaubt ja, wenn man jetzt nicht schnell reagiert und die Zügel in der Coronapolitik wieder angezogen werden. So mahnte sie vor ihrem Treffen mit den Ministerpräsidenten am Dienstag (29.09.) Deutschland könnte bei der weiteren Entwicklung an Weihnachten mit mehr als 19.000 täglichen, neuen Fälle zu tun haben. Bei dem Treffen zwischen Merkel und den Länderchefs sollte es deshalb auch darum gehen, wie Deutschland mit sinnvollen und umsichtigen Regelungen möglichst glimpflich durch den Corona-Herbst und -Winter kommen kann, in dem sich Menschen wieder vermehrt in geschlossenen Räumen aufhalten werden.
Merkel zeigt sich beunruhigt
Oberstes Ziel aller Beteiligten: Unbedingt einen weiteren Lockdown verhindern und die Wirtschaft schützen. Die steigenden Corona-Neuinfektionszahlen sind nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel ein Grund zur Beunruhigung. Merkel sagte nach den Beratungen mit den Ministerpräsidenten, es gebe einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen vor allem in Ballungsräumen. Ein erneuter Shutdown, also ein weitgehendes Herunterfahren des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wie im Frühjahr, müsse unbedingt verhindert werden. Deshalb werde man regional und lokal zielgenau auf Ausbrüche reagieren. Deutschland sei gut durch den Sommer gekommen, nun stehe mit dem Herbst und Winter aber eine "schwierigere Zeit" bevor. Man könne sich dem aber entgegenstellen mit den richtigen Maßnahmen. Diese könnten nur durchgesetzt werden, wenn es die Bereitschaft der Bürger gebe, die Regeln zu befolgen, damit sich die Seuche nicht weiter ausbreite. Vorrang habe, die Wirtschaft so weit es gehe am Laufen zu halten und dass Kinder in Schulen und Kitas gehen könnten.
Bußgeld für falsche Kontaktangaben
Wichtiger Baustein für die funktionierende Kontakt-Nachverfolgung waren und sollen auch zukünftig die Kontaktlisten in Bars, Restaurants und Kneipen sein. In letzter Zeit machten jedoch falsch oder unvollständig geführte Kontaktlisten den Gesundheitsämtern die Nachverfolgung von Kontaktpersonen enorm schwierig. Bestes Beispiel dürften in Hamburg die Fälle in der "Katze" oder dem "Le Vou" sein, wo Hunderte Personen wegen falscher Angaben nicht direkt kontaktiert werden konnten. Damit soll nun laut der Konferenz Schluss sein. Bürger, die in einem Restaurant oder anderen Gastwirtschaften falsche Angaben zu ihrer Person machen, müssen künftig mit einem Mindestbußgeld von 50 Euro rechnen. Für die konkrete Umsetzung sind die Länder selbst verantwortlich - über entsprechende Änderungen in ihren Corona-Verordnungen und Bußgeldkatalogen. So plant Schleswig-Holstein beispielsweise ein Bußgeld von bis zu 1.000 Euro, wie Ministerpräsident Daniel Günther direkt nach der Beratung erklärte. Offen blieb zunächst, wie die Bußgeldregel konkret angewandt werden soll, wenn beispielsweise durch Eintrag eines falschen Namens gar nicht klar ist, um wen es sich handelt. Merkel sagte dazu: "Falsche Personenangaben, das ist kein Kavaliersdelikt".
Vorerst keine Obergrenze für private Feiern
Streitpunkt bei den Beratungen war eine Personen-Obergrenze von höchstens 25 Personen für Feiern im privaten Raum. Merkel hatte dies den Ministerpräsidenten vorgeschlagen. Nach Widerstand aus den Ländern wird diese Grenze nun aber vorerst nicht eingeführt. Hier hatten sich Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der Videoschalte von Merkel und den Länderregierungschefs dagegengestellt. Voraussichtlich werde es in diesem Bereich nur eine Empfehlung geben. so wird dringend empfohlen, in privaten Räumen keine Feierlichkeit mit mehr als 25 Teilnehmern durchzuführen.
Aber: Obergrenze im öffentlichen Bereich
Anders sieht es hingegen bei Feiern im öffentlichen Raum aus. Finden die Partys in öffentlichen oder angemieteten Räumen statt, dann wird die Anzahl der Gäste auf maximal 50 Teilnehmer beschränken. Dies gelte, wenn in einem Landkreis innerhalb von sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner auftreten. Wenn es in einem Landkreis innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gibt, seien weitere Maßnahmen zu erlassen. Insbesondere solle die Teilnehmerzahl auf höchstens 25 in öffentlichen oder angemieteten Räumen festgelegt werden. In privaten Räumen werde dringend empfohlen, in diesem Fall keine Feierlichkeiten mit mehr als zehn Teilnehmern durchzuführen. Ausnahmen könne es für angemeldete Feiern mit vom Gesundheitsamt abgenommenen Hygieneplänen geben.
Keine Schulschließungen mehr
Die Kanzlerin betont, dass komplette Schulschließungen in der Corona-Krise künftig vermieden werden sollen. Schulen und Kitas wolle man "unbedingt betreiben". Es brauche eine Teststrategie für Lehrer und Kinder "und ein bestimmtes Verhalten, wenn ein Infektionsfall auftritt. Hier soll nicht eine ganze Schule geschlossen werden". Merkel verwies auf das Hygienekonzept der Kultusministerkonferenz, das darauf hinauslaufe, dass nicht alle Schüler mit allen Kontakt hätten, sondern nur innerhalb ihres Jahrgangs - "was dann im Gegensatz bedeutet, dass man nicht die gesamte Schule stilllegen muss".
Vorerst keine weiteren Coronalockerungen
Angesichts anhaltend hoher Infektionszahlen mit dem Coronavirus sollen zudem derzeit allgemein keine weiteren Öffnungsschritte zugelassen werden. Gerade in der kalten Jahreszeit sollen zu der gültigen "AHA"-Formel für Abstand halten, Hygiene und Alltagsmasken zwei weitere Buchstaben hinzugefügt werden: "C" wie Corona-Warn App und "L" wie Lüften. "Regelmäßiges Stoßlüften in allen privaten und öffentlichen Räumen kann die Gefahr der Ansteckung erheblich verringern", heißt es in einer Vorlage.
Urlaub in Risikogebiete vermeiden
Nachdem am Ende des Sommers viele Coronainfektionen aus dem Ausland eingeschleppt wurden, mahnt die Bundesregierung mit den Länderchefs hier für die anstehenden Herbstferien zu besonderer Vorsicht. So wolle man an die Bürger appellieren, Reisen in Risikogebiete zu unterlassen. Zudem wollen sie mehr Schnelltestverfahren einführen und damit die bisherige Teststrategie erweitern. So sollen zusätzlich zu den bisherigen Labortests in geeigneten Fällen vermehrt Schnelltests eingesetzt werden, hieß es in einer entsprechenden Vorlage für die Beratungen.
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