15. Oktober 2025 – Mira Oetinger
Inklusive Empfehlung vom Experten
Neu im Kino und Streaming: Das sind die Neuheiten der Woche
Mit dem Herbsteinzug kommt die Kinosaison erst so richtig ins laufen. Diese Woche im Programm: "After the Hunt" mit Julia Roberts in der Hauptrolle, ein Film, der die Werke von Jane Austen in den Vordergrund stellt, und "The Mastermind", in dem ein Familienvater mehr oder weniger zufällig zum Kunsträuber wird.
Camille Rutherford als Agathe Robinson in "Jane Austen und das Chaos in meinem Leben I Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sony Pictures Classics
Die wohl schwerste Kost in der neuen Kinowoche ist der Film "After the Hunt", der sich in großartiger Besetzung dem Thema sexueller Belästigung widmet und den Zuschauer auf mehreren Ebenen an seine Grenzen bringt. Absolutes Must-See - wegen Story UND Cast. Wer aber lieber in seichteren Gewässern dümpelt, könnte an der Komödie "Good Fortune: Ein ganz spezieller Schutzengel" Gefallen finden. Und auch der Film, der um die Bücher der Autorin Jane Austen gestrickt ist, verspricht einen amüsierenden Kinonachmittag.
Ballad of a Small Player
16.10.2025
Jetzt anhören: Die Neuheit der Woche
After the Hunt
Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, ein guter Film brauche sympathische Figuren, mit denen man gerne Zeit verbringt. Manchmal begegnen wir Menschen auf der Leinwand, die uns verstören, irritieren oder gar abstoßen - und gerade das macht einen Film interessant. Luca Guadagninos "After the Hunt" mit Julia Roberts ist so ein Fall.
Ein Film für das Zeitalter nach "MeToo"?
In dem Drama geht es um sexuelle Belästigung, und niemand der Beteiligten kommt dabei besonders gut weg - auch nicht die Frauen, die Opfer von Übergriffen wurden. Oscar-Preisträgerin Roberts musste den Film nach der Premiere deswegen auch direkt verteidigen. Untergrabe der Film nicht die Ziele der feministischen Bewegung, sei gar ein Film für das Zeitalter nach "MeToo", fragte eine Journalistin in Venedig.
Das sieht Roberts naturgemäß nicht so. Ziel sei gewesen, das Publikum nach dem Kinobesuch zur Diskussion anzuregen, antwortete sie. "Dass jeder mit unterschiedlichen Gefühlen, Emotionen und Standpunkten herauskommt. "Dieses Ziel hat Guadagnino definitiv erreicht.
Lohnt sich der Film - und worum geht es?
Das Drama überzeugt mit tollen Schauspielerinnen und einem guten Tempo. Guadagnino ("Call Me by Your Name") ist ein Meister der zwischenmenschlichen Spannung, die er auch hier gekonnt inszeniert. Der Film lohnt sich allein schon wegen Julia Roberts, die den schleichenden Zusammenbruch ihrer Figur mit beeindruckender Präzision verkörpert.
Sie spielt eine Philosophieprofessorin namens Alma Imhoff, die wegen eines Falls von sexuellem Missbrauch zwischen die Fronten gerät. Eine ihrer Doktorandinnen, Maggie (Ayo Edebiri), wirft einem mit Alma befreundeten Dozenten vor, sie sexuell belästigt zu haben. Alma will Maggie unterstützen, ist aber zögerlich und gleichzeitig damit konfrontiert, dass ihr Freund darauf beharrt, Maggie lüge.
Wie Alma unterrichtet dieser Freund namens Hank (Andrew Garfield) in Yale Philosophie und wartet auf seine Festanstellung. Die Vorwürfe seien ein Rachefeldzug, sagt er. Weil er Maggie damit konfrontiert habe, dass ihre Doktorarbeit ein Plagiat sei.
Unterschiedliche Generationen, unterschiedliche Sichtweisen
Alma, die sich am liebsten aus der Sache raushalten würde, gerät immer tiefer in die Eskalation, die der Vorwurf am Uni-Campus auslöst. Sie sichert Maggie ihre Unterstützung zu, will aber erst einmal wissen, was genau passiert sei. Und rät dann von einer Anzeige ab.
Der Generationenkonflikt zwischen den beiden Frauen wird deutlich. Alma hat sich in der von Männern geprägten akademischen Welt jeden Erfolg mühsam erarbeitet – und dafür hohe persönliche Kosten getragen. Maggie kann diese Härte nicht verstehen. «Nicht alles ist dafür da, dir ein gutes Gefühl zu geben», sagt Alma einmal zu ihr.
Und dann wird mehr und mehr deutlich, dass Alma möglicherweise eine größere Last mit sich trägt, als sie nach außen erkennen lässt. Und dass Maggie, die als Schwarze mehrfach Diskriminierungen ausgesetzt ist, nicht frei von Verfehlungen ist.
Warum Guadagnino Bezug zu Woody Allen nimmt
Einen gewissen Willen zur Provokation kann man Guadagnino in "After the Hunt" auf jeden Fall bescheinigen. So hat er sich beim Vorspann optisch an den Stil von Woody Allen angelehnt. Dessen Erfolg wird seit langem von Missbrauchsvorwürfen seiner Adoptivtochter überschattet, die Allen abstreitet.
Warum sollte er keinen Bezug zu Allen nehmen, sagte Guadagnino in Venedig. "Die Geschichte hatte eine Struktur, die meiner Meinung nach sehr stark an das großartige Werk von Woody Allen zwischen 1985 und 1991 angelehnt war." Außerdem sehe er darin eine "interessante Anspielung auf einen Künstler (...), der in gewisser Weise selbst mit Problemen seiner Existenz konfrontiert war, und auf unsere Verantwortung, wenn wir uns die Werke eines Künstlers ansehen, den wir lieben, wie Woody Allen", sagte Guadagnino. Man sollte das Werk vom Künstler trennen, ließe sich das wohl übersetzen.
Zumindest Julia Roberts will den Film aber nicht als politisches Manifest verstanden wissen: "Wir formulieren keine Statements, wir porträtieren Menschen in diesem Moment." Dass "After the Hunt" sein Publikum gleichwohl dazu bringt, die eigenen Überzeugungen zu hinterfragen – und sie womöglich klarer zu benennen – versteht sie als Geschenk des Films, wie sie in Venedig sagte. Bevor sie mit einem breiten Lächeln hinzufügte: "Gern geschehen."
Jane Austen und das Chaos in meinem Leben
Romantik ist auch heutzutage noch möglich. Das beweist der französische Liebesfilm "Jane Austen und das Chaos in meinem Leben". Im Mittelpunkt: Agathe, die ihren Weg finden muss: in der Liebe ebenso wie als angehende Schriftstellerin.
Humorvoll, nachdenklich und mit einer Portion Herzschmerz begleitet der Film die Buchhändlerin dabei und entführt sie aus der schnöden Gegenwart in die elegant-heimelige Welt des englischen Landadels vor mehr als 200 Jahren.
Das falsche Jahrhundert?
"Ich lebe einfach im falschen Jahrhundert", stellt Agathe fest. Am liebsten träumt sie sich in die Welt von Austens Romanen und versucht sich selbst an Liebesromanen. Ihre eigene Gefühlswelt will sie dagegen nicht erkunden. Doch alles ändert sich, als ihr bester Freund Félix heimlich dafür sorgt, dass sie zu einem Schreibworkshop in England eingeladen wird, der "Jane Austen Writers' Residency".
Erst lehnt Agathe empört ab, lässt sich dann aber doch darauf ein. In der entspannten Atmosphäre eines eleganten Landsitzes lernt sie nicht nur andere Schriftsteller kennen, sondern auch Oliver, einen Ur-Ur-Ur-Ur-Großneffen Jane Austens, der sie ärgert, gleichzeitig aber auch fasziniert. Beste Bedingungen für eine Liebesgeschichte - hätte Agathe nicht bereits ein anderes Techtelmechtel angefangen.
Herzerwärmendes Kino
Laura Piani erzählt sympathisch und ohne Kitsch, wie Agathe die Stränge ihres Lebens langsam entwirrt, mit amüsanten Dialogen und wunderbar gespielt von Camille Rutherford ("Anatomie eines Falls"), im Original in einer Mischung aus Englisch und Französisch.
Auch die anderen Rollen wurden mit Bedacht ausgewählt, etwa Charlie Anson ("Paris, Wine and Romance") als Oliver, der zwar gut aussieht, sich selbst aber trotzdem irgendwie im Weg steht. Oder Pablo Pauly ("Drei Tage und ein Leben") in der Rolle des Félix, der an den ganzen Verwicklungen nicht ganz unschuldig ist. Herzwärmendes Kino also für graue Herbsttage.
The Mastermind
Der britische Schauspieler Josh O'Connor gehört aktuell zu den Shootingstars des Kinos. Einst mit der Serie "The Crown" bekanntgeworden, ist der 35-Jährige inzwischen in immer mehr großen Kinoproduktionen zu sehen. Bei den Filmfestspielen in Cannes feierten dieses Jahr gleich zwei Werke mit ihm in den Hauptrollen Premiere im Wettbewerb.
Eins davon ist "The Mastermind" von Kelly Reichardt, das jetzt ins Kino kommt. O'Connor spielt darin einen verpeilten Familienvater, der eher durch Zufall zum Kunsträuber wird. Diesen Kunstdiebstahl organisiert er denkbar ungeschickt, sodass er sich letztlich vor der Polizei verstecken muss.
Eine charmante Erzählung über einen Versager
Filme über Kunstdiebstähle beziehungsweise Raubüberfälle sind ein eigenes Genre, im Englischen nennt man sie "Heist-Movies". Sie erzählen von der Planung und Durchführung eines Verbrechens und konzentrieren sich dabei auf die Perspektive der Täter. Doch anders als etwa "Ocean's Eleven" verzichtet Reichardt auf Spektakel und übermäßige Spannung.
Stattdessen hat sie eine zurückhaltende, leise ironische Erzählung über einen sympathischen Versager gedreht - oder wie Reichardt selbst die Art von Charakter beschrieb, die sie inspirierte: "ein tollpatschiger Trottel, aber in gewisser Hinsicht auch ein Held".
Der Film begeistert mit Humor, facettenreichen Figuren, feinsinnigen Bildern und nostalgischer Stimmung. "The Mastermind" spielt in einer Kleinstadt in Massachusetts um das Jahr 1970. O'Connor verkörpert den arbeitslosen Tischler JB Mooney, dem irgendwann auffällt, dass die Kunstwerke in einer lokalen Galerie nicht besonders gut gesichert sind.
Und so geht die Geschichte ihren Gang. Mit zwei gleichsam unerfahrenen Bekannten plant Mooney den Diebstahl. Mit zunehmendem Unverständnis wird er dabei beobachtet von seiner arbeitenden Frau (Alana Haim), die den Familienalltag organisieren und zusammenhalten muss.
Eine Erzählung über größenwahnsinnige Männer
Im Hintergrund ist auch der Vietnamkrieg Thema, aber Reichardt geht es nicht vordergründig um politische Botschaften. Dennoch schwingt Sozialkritik mit. O'Connor sagte über seine Figur in Cannes: "Ich glaube, er hatte große Erwartungen an sein Leben, die er nie erfüllt hat. Er glaubt, dass er etwas Besseres verdient hätte. Er denkt, sein großartiger Plan ist ein Meisterwerk, ein eigenes Kunstwerk."
Natürlich sei es das nicht und es sei eine Katastrophe. «Aber es entspringt einem absoluten Privileg. Es entspringt der Tatsache, dass Generationen von Männern gesagt wurde, dass sie etwas Besseres verdienen.»
Assoziationen zu Donald Trump
In Cannes stellten Journalisten Verbindungen zu US-Präsident Donald Trump her. Der amerikanische Schauspieler John Magaro, der eine Nebenrolle im Film spielt, sagte bei der Pressekonferenz im Mai: "Es ist lächerlich. Wir haben einen Regierungschef, der jeden Tag Wutanfälle hat, und das wirkt sich auf das Leben von Millionen und Abermillionen Menschen aus. Es fällt mir schwer, weiterhin hoffnungsvoll zu bleiben."
Filmemacherin Reichardt wehrte sich gegen Vergleiche ihrer Hauptfigur mit Trump. "Ich werde meinen Mooney nicht mit diesem Typen vergleichen!", sagte sie. Tatsächlich kann man dem Kunsträuber JB Mooney im Film nie wirklich böse sein. Eine Leistung, die auch dem charmanten Spiel von Josh O'Connor zu verdanken ist.
Good Fortune: Ein ganz spezieller Schutzengel
The Last Rodeo
Alles voller Monster
Unser Serien- und Kino-Insider Christian Aust zappt sich für euch durch das riesen Angebot und stellt euch immer montags in der Radio Hamburg Morning-Show mit Stübi, Alicia und John Ment eine Top-Serie vor, die euch durch die Woche rettet. Solltet ihr nicht verpassen und einschalten. Entweder über unsere kostenlose Radio Hamburg App, mit dem Befehl Alexa/Echo, spiele Radio Hamburg über euren Smartspeaker oder direkt hier im Livestream.
Hier geht's zum Programm von Radio Hamburg
Radio Hamburg Live Stream
Eure Mega-Hits für die schönste Stadt der Welt und dazu alle wichtigen News aus Hamburg, Deutschland und der Welt hört ihr bei uns im Programm.
(Quelle: dpa)