13. September 2021 – Stefan Angele

Umfragen sehen Scholz als Sieger

Zweites Triell mit deutlich mehr Angriff und Diskussion

Zwei Wochen vor der Bundestagswahl haben sich die Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen bei einer weiteren Fernsehdebatte einen teilweise scharfen Schlagabtausch geliefert. Angesichts der Ermittlungen gegen die Geldwäsche-Zentralstelle des Zolls versuchten am Sonntagabend (12.09.) vor allem Armin Laschet (Union) und Annalena Baerbock (Grüne) den SPD-Bewerber Olaf Scholz unter Druck zu setzen. Diese Financial Intelligence Unit (FIU) gehört in den Geschäftsbereich des Bundesfinanzministers. Auch mit Blick auf den Wirecard-Skandal musste sich Scholz verteidigen.

Keine klaren Regierungsoptionen

Der CDU-Vorsitzende Laschet schloss eine Juniorrolle der Union in einer SPD-geführten Bundesregierung nicht generell aus. "Demokraten untereinander müssen nach der Wahl miteinander reden", sagte er beim zweiten sogenannten TV-Triell der Kanzlerkandidaten, das diesmal bei ARD und ZDF ausgetragen wurde. Zugleich betonte er: "Wir kämpfen um Platz 1." Laschet wich der Frage aber insgesamt aus. Man sei momentan nicht bei der Regierungsbildung, sondern "beim Werben um den richtigen Weg für unser Land". SPD-Kanzlerkandidat Scholz legte sich erneut nicht definitiv fest, ob er eine Koalition zusammen mit der Linken ausschließt. Er betonte aber: "Wer in Deutschland regieren will, muss klare Positionen haben, er muss sich bekennen zur transatlantischen Zusammenarbeit, er muss klar sagen, dass die Nato für unsere Sicherheit unverzichtbar ist, und dass wir unsere Verpflichtungen im Bündnis erfüllen müssen. Er muss sich klar zu einer starken, souveränen Europäischen Union bekennen."

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Baerbock bekräftigt Grüne-Regierungsbestrebungen

Laschet warf Scholz daraufhin vor, er würde selbst dann, wenn die SPD nur zweitstärkste Kraft bei der Bundestagswahl am 26. September werden sollte, eine Koalition unter Einschluss der Linken bilden. Die Grünen-Bewerberin Baerbock betonte, sie kämpfe mit aller Kraft für einen Aufbruch in Deutschland. "Das geht nur mit Grünen in führender Rolle." Baerbock sagte ebenfalls, nach der Wahl müssten alle demokratischen Parteien miteinander reden. Dabei schloss sie die Linke mit ein. Baerbock warnte vor einer Gleichsetzung der Linken mit der AfD. Das sei "brandgefährlich".

Laschet bekennt sich klar gegen rechte Kräfte

Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat sich klar zum Kampf gegen rechte Kräfte bekannt - auch in der eigenen Partei. Gefragt nach der teils hochumstrittenen Kandidatur des ehemaligen Verfassungsschutz-Chefs Hans-Georg Maaßen für die CDU in Südthüringen sagte Laschet am Sonntagabend: "Herr Maaßen wird sich an den Kurs halten müssen, den ich vorgebe als Parteivorsitzender." Seine Partei stehe für eine "geordnete Migrationspolitik", alles, was "an Ressentiments geäußert" werde, sei nicht akzeptabel, betonte Laschet. Die Entscheidung der Bundeskanzlerin, 2015 die Grenzen nicht zu schließen, sei "richtig" gewesen. "Die Rechte bekämpfe ich. Die gehören nicht in Parlamente. Die sind die geistigen Brandstifter, die am Ende zu solchen Morden führen wie an unserem Parteifreund Walter Lübcke", sagte der CDU-Chef.

Heftiger Streit um Klimaschutz

Unionskanzlerkandidat Armin Laschet und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz haben zudem kontrovers über den Klimaschutz gestritten. Sie warfen sich gegenseitig bei wichtigen Fragen eine Blockade vor. Scholz betonte, die Union habe lange bestritten, dass für den klimagerechten Umbau der Wirtschaft mehr Strom nötig sei. Laschet warf der SPD vor, Beschleunigungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren verhindert zu haben. Baerbock machte deutlich, mit dem aktuellen Tempo der schwarz-roten Koalition würden Klimaziele deutlich verfehlt. Union und SPD hätten sich immer nur gegenseitig die Schuld in die Schuhe geschoben. Sie nannte den Kampf gegen den Klimawandel eine große Kraftanstrengung. Baerbock bekräftigte, Deutschland müsse früher aus der Kohle aussteigen, und zwar deutlich vor dem Jahr 2038 - das ist bisher geplant. Auf eine Frage zu steigenden Spritpreisen sagte Scholz, bei der CO2-Bepreisung im Verkehr müsse moderat vorgegangen werden. Es kaufe sich niemand wegen eines steigenden Spritpreises am nächsten Tag ein neues Auto. Die Einnahmen aus dem CO2-Preis müssten den Bürgern zurückgegeben werden, indem die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms abgeschafft werde.

Digitalisierung als wichtiges Zukunftsthema

Die drei Kanzlerkandidaten haben das Thema Digitalisierung als dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung benannt. "Wir haben viel gemacht, aber es reicht nicht", sagte Laschet. Er bekräftigte seinen Plan, im Fall einer Kanzlerschaft ein Digitalministerium einzurichten. Beispielsweise ärgere es ihn "maßlos, dass wir immer noch selbst auf Autobahnen kein Netz haben". Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock griff Laschet an und sprach sich gegen ein Ministerium aus, das Zukunftsthema Digitalisierung müsse in den Aufgabenbereich des Kanzlerinnenamtes, forderte sie. "Digitalisierung ist oder war, muss man deutlich sagen, die Aufgabe unserer Zeit", so Baerbock. Beim Glasfaserausbau müsse man staatlich mit eingreifen. Scholz betonte, dass für die Breitbandinfrastruktur schon viel Geld zur Verfügung gestellt worden sei. "Ich glaube, es liegt schon längst nicht mehr am Geld." Es müsse sichergestellt werden, dass mit der finanziellen Hilfe des Bundes die Länder und Gemeinden dafür sorgten, dass alle Schulen an das Netz angebunden seien.

Streit über Rente

SPD-Kanzlerkandidat Scholz sagte, es müsse jungen Leuten die Garantie gegeben werden, dass das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau stabil blieben. Zugleich müsse man dafür sorgen, dass man vorankomme bei der Beschäftigung von Frauen, dies sei gut auch für die Finanzierung der Rente. Laschet nannte die Garantie-Aussagen von Scholz nicht seriös. Man könne nicht Menschen, die heute ins Berufsleben starteten, sagen, es werde alles bleiben. Man werde parteiübergreifend über die Zukunft der Rente reden müssen. So müsse bei der betriebliche Altersvorsorge ein besseres System gefunden werden, die Riester-Rente sei nicht effektiv und attraktiv. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach sich für mehr Fachkräftezuwanderung aus sowie einen gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro. Außerdem müssten mehr Frauen in Vollzeit arbeiten können, es gebe aber bisher zu wenig Ganztagsangebote für Kinder.

Scholz geht laut Umfragen als Sieger aus Triell hervor

In der Fernsehdebatte der drei Kanzlerkandidaten hat sich laut einer ZDF-Blitzumfrage unter Zuschauern am Sonntagabend SPD-Kandidat Olaf Scholz vergleichsweise am besten geschlagen. 32 Prozent der befragten Zuschauer entschieden sich für ihn, dahinter lag Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit 26 Prozent, Armin Laschet kam auf 20 Prozent. 21 Prozent sahen bei der Frage, wer sich am besten geschlagen habe, keinen großen Unterschied. Die Ergebnisse veröffentlichte das ZDF im "heute journal", das direkt an das TV-Triell anschloss. Bei der Frage, wen man am liebsten als Bundeskanzler hätte, zeigte der Sender Ergebnisse vor und nach dem TV-Triell im direkten Vergleich. Demnach lag Scholz nach der Debatte mit 46 Prozent weiterhin an Platz 1, allerdings hatte er vor der Sendung mit 55 Prozent noch mehr Zuspruch gehabt. Laschet konnte mit 28 gegenüber 19 Prozent Boden gut machen. Baerbock verharrte in etwa auf ihrem Niveau: erst 19 Prozent, nach der Sendung 20. Bezogen auf die Erwartungen der Kanzlerkandidaten hieß es von der Forschungsgruppe, dass vor allem Baerbock positiv überrascht habe. Für 53 Prozent habe sie die Erwartungen übertroffen, für 38 Prozent sei sie wie erwartet gewesen und für acht Prozent schlechter. Bei Laschet sagten demnach 35 Prozent "besser als erwartet (wie erwartet: 53 Prozent, und schlechter: 12 Prozent) und für 27 Prozent habe sich Scholz besser geschlagen als erwartet (wie erwartet: 58 Prozent, und schlechter: 15 Prozent).

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