09. November 2020 – Sebastian Tegtmeyer
Sehnsüchtig wartet die Welt auf einen Corona-Impfstoff. Zusammen mit dem Pharmariesen Pfizer biegt Biontech jetzt in die Zielgerade um den ersten Corona-Impfstoff ein. Noch in diesem Monat soll der Zulassungsantrag gestellt werden. Laut dem Mainzer Pharmaunternehmen bietet seine Impfung einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor Covid-19.
Erstmals gibt es zu einem für Europa maßgeblichen Corona-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Das Mainzer Unternehmen Biontech und der Pharmakonzern Pfizer teilten am Montag mit, ihr Impfstoff biete einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Schwere Nebenwirkungen seien nicht registriert worden. Biontech und der Pharmariese Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Unabhängige Experten zeigten sich beeindruckt. "Ehrlich gesagt ist das die beste Nachricht, die ich seit dem 10. Januar erhalten habe", erklärte der Virologe Florian Krammer von der Icahn School of Medicine in New York.
Wir haben Herrn Dr. Bastian Steinberg, Hausarzt aus Rahlstedt, zu dem neuen Impfstoff befragt:
Wie oft wurden sie von ihren Patienten jetzt schon nach dem Impfstoff gefragt?
Noch gar nicht. Ich glaube die Nachrichten sind gestern Abend erst auf die breite Ebene gegangen. Also die Fragen werden heute kommen.
Und was sagen sie dann ihren Patienten?
Also die Daten werden jetzt erst zur Zulassung vorgelegt werden. Das wird dann nochmal etwas dauern und dann muss man sehen: Wann haben wir dann den Impfstoff zur Verfügung? ABER es ist ein Durchbruch und Hoffnung, dass wir diese Pandemie in den Griff kriegen können.
Was halten sie davon, dass es „nur“ einen 90-prozentigen Schutz gibt? Warum nicht 99,9%?
Das hat damit zutun, dass nicht jeder auf Impfungen reagiert wie man sich das wünscht. Das haben wir bei allen Impfungen. Und 90% ist da schon eine gute Quote.
Wenn dieser Impfstoff nun da ist. Wie lange dauert es, bis ganz Hamburg geimpft ist?
Das hängt davon ab, wie schnell wir ausreichend Impfdosen zur Verfügung haben. Man muss dabei bedenken, dass der Impfstoff bei -70 Grad oder tiefer gelagert werden muss. Das bedeutet, dass wir nicht wie üblich bei den Hausärzten diese Impfungen durchführen werden, weil wir den Impfstoff so gar nicht lagern können. Das ist ja der Grund warum Impfzentren eingerichtet werden sollen, zum Beispiel in den Messehallen.
Würden sie sich selbst impfen lassen?
Ich würde mich impfen lassen, auf jeden Fall. Wenn man gesehen hat, was das Virus anrichtet, ist das ganz schön beeindruckend. Ich kann nur sagen: Mit Impfungen haben wir viel gutes getan. Man soll die Impfung wirklich ernst nehmen.
Mehr als 43.000 Menschen erhielten die Impfung
Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt "Lightspeed" seit Mitte Januar entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.
In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die Ergebnisse werden den Angaben zufolge erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.
Virologen rechnen mit baldiger Zulassung
Der Infektiologe Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln sprach von "großartigen und vielversprechenden Daten". "Ich denke, das wird unseren Umgang mit der Pandemie entscheidend beeinflussen, und ich hoffe, dass rasch große Mengen des Impfstoffes zur Verfügung stehen werden." Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg rechnete mit einer baldigen Zulassung. Allerdings geben Experten auch zu bedenken, dass die Daten zunächst nur aus einer Pressemitteilung stammen und nicht aus einer wissenschaftlichen Publikation. So fehlten etwa Daten zum Schutzeffekt in bestimmten Altersgruppen.
Bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen noch dieses Jahr
Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt - in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist derzeit weitgehend offen.
(dpa)