27. Oktober 2025 – Mira Oetinger
Sind Videoüberwachung und mehr Kontrollen die Antwort auf die "Stadtbild"-Debatte? Bei Demos wird dem Kanzler Rassismus vorgeworfen. Grünen-Chef Banaszak spricht von "Angsträumen" in den Städten.
Auch wenn die politische Debatte langsam etwas abebbt: Demonstranten in Hamburg, Bonn und anderen Städten haben am Wochenende erneut gegen die Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu Migration und dem "Stadtbild" protestiert. Vom Städte- und Gemeindebund kamen Vorschläge, wie das Sicherheitsgefühl von Bürgerinnen und Bürgern konkret verbessert werden könnte.
Der Präsident des kommunalen Spitzenverbands sagte der "Rheinischen Post", viele Innenstädte und Ortskerne, die einst mit dem Fokus auf die "autogerechte Stadt" angelegt wurden, müssten dringend umgestaltet werden – mit mehr Grün und einer stärker auf Fußgänger und Radfahrer ausgelegten Infrastruktur. "Zudem existieren viele Bereiche, in denen sich die Menschen nicht wohlfühlen, weil das subjektive Sicherheitsempfinden beeinträchtigt ist, etwa Unterführungen oder schlecht einsehbare Bereiche." Der Umbau koste allerdings Geld, das den Gemeinden fehle.
Protest in mehreren Städten – 2.600 Demonstranten in Hamburg
Bundesweit gingen Menschen gegen Merz' "Stadtbild"-Aussagen auf die Straße. In Hamburg versammelten sich bei regnerischem Herbstwetter nach Polizeiangaben am Samstag rund 2.600 Demonstranten. Auf Transparenten forderten sie "Zusammenstehen gegen Rassismus und Spaltung" und "Merz raus aus unserem Stadtbild!".
Bei einer Kundgebung in Magdeburg, an der sich am Samstag etwa 300 Menschen beteiligten, sagte die Vertreterin eines afghanischen Frauenvereins, die Äußerungen von Merz, "haben viele von uns tief betroffen". Migration werde dabei nicht als selbstverständlicher Teil Deutschlands verstanden, sondern als etwas Störendes.
Auch im Wohnort des Kanzlers, dem sauerländischen Arnsberg, demonstrierten am Samstag rund 150 Menschen. In Bonn waren es am Sonntag rund 200. In der Stadt am Rhein wurde zudem in der Nacht zum Samstag die CDU-Kreisgeschäftsstelle mit den Worten "Maßnahme zur Verschönerung des Stadtbildes" beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.
Hessischer Minister fühlt sich angesprochen
Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori, dessen Eltern aus dem Iran stammen, sagte bei einem Parteitag der Hessen-SPD: "Wenn ich zu Hause bei mir in Frankfurt kein Sakko trage und auf der Straße unterwegs bin, machen wir uns nichts vor, dann bin ich mit diesem sogenannten veränderten Stadtbild mitgemeint."
Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak schrieb in einem Beitrag für die Funke Mediengruppe, die Art und Weise, wie Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über Migration und das "Stadtbild" spricht, lehne er ab. Zur Wahrheit gehöre aber, dass es mancherorts "Angsträume" gebe – "an Kleinstadtbahnhöfen herumlungernde Faschos und sturzbesoffene grölende Fußballfans in Zügen". Ebenso gebe es "kriminelle Gruppen auch aus migrantischen Familien, die am Freitagabend Leute abziehen oder Frauen belästigen".
Teil der Realität in Deutschland sei aber auch, dass Menschen Rassismus erlebten und zwar "ganz egal, wie viele Jobs oder Universitätsabschlüsse sie haben".
Banaszak wirft Merz "Stammtisch-Gerede" vor
Über all diese Themen müsse man sprechen – ehrlich und unmissverständlich, fordert der Grünen-Vorsitzende, der aus Duisburg stammt. Merz habe dies allerdings nicht getan. Denn es sei unehrlich, "die Zustände zu beklagen, die seine Partei mitzuverantworten hat". Wer Integrationsarbeit an Ehrenamtliche auslagere, Frauenhäuser chronisch unterfinanziere und die öffentliche Infrastruktur vernachlässige, dürfe sich nicht durch "Stammtisch-Gerede" aus der Verantwortung stehlen.
Merz hatte am 14. Oktober gesagt, die Bundesregierung korrigiere frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik und mache Fortschritte, "aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen". Später sagte er auf Nachfrage: "Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte."
Am Mittwoch konkretisierte er dann, Probleme würden diejenigen Migranten machen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten.
Auch Zuspruch für den Kanzler
Für diese Aussage bekommt Merz laut einer Umfrage überwiegend Zuspruch von der Bevölkerung. 63 Prozent der Befragten im ZDF-Politbarometer gaben dem CDU-Chef recht, dass es im Stadtbild Probleme mit denjenigen Migranten gebe, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und gegen Regeln verstoßen. 29 Prozent halten die Aussage nicht für berechtigt.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte Merz' Aussagen. Bis die Auswirkungen der von der Regierung begonnenen "Migrationswende" für die Bürger greifbar und spürbar würden, brauche es Zeit, sagte er dem "Handelsblatt". "Diese Diskrepanz zwischen rationalem Verstehen und emotionalem Empfinden muss sich erst schließen."
Mehr Sicherheit durch Gesichtserkennung?
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), plädiert unterdessen für Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, um Städte sicherer zu machen. Auf die "Stadtbild"-Debatte angesprochen, sagte er dem "Handelsblatt", Videoüberwachung "mit automatisierter Datenauslesung" sei vielerorts notwendig, um Straftaten besser zu verhindern und aufzuklären. Datenschützer sollten "ihre überkommenen Bedenken" gegen den Einsatz KI-gestützter Technik aufgeben.
Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Dirk Peglow, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er sei gegen eine biometrische Gesichtserkennung im Echtzeitbetrieb. An Bahnhöfen könnten aber KI-gestützte Systeme eingesetzt werden, etwa für die Suche nach vermissten Personen oder zur Abwehr terroristischer Gefahren.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mehr Präsenz der Bundespolizei an Bahnhöfen und das Recht, dort verdachtsunabhängig kontrollieren zu dürfen. Der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Mehr Sicherheit an den Bahnhöfen ergibt auch ein besseres Stadtbild."
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