16. August 2022 – Stefan Angele
Drohender Gas-Notstand
Hamburg präsentiert 25-Punkte-Energiesparplan für den öffentlichen Bereich
Foto: Vova Shevchuk/Shutterstock
Angesichts des drohenden Gas-Notstands hat Hamburgs rot-grüner Senat einen umfangreichen Energiesparplan vorgelegt. "Wir bekommen einen schweren Winter, es droht eine Gasmangellage", sagte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag (16.08.) im Anschluss an eine Senatssitzung. Mit dem Energiesparplan soll von Hamburgs Seite der "bestmögliche Beitrag geleistet werden, damit die Europäische Union ihre Reduktionsziele erreicht und eine Gasmangellage vermieden werden kann." Der Notfallplan der Europäischen Union sieht vor, den nationalen Gasverbrauch der Mitgliedstaaten auf Grundlage ihrer durchschnittlichen Verbräuche der Jahre 2016 bis 2021 um 15 Prozent zu senken.
16.08.2022
Nachrichtenredakteurin Ines Wiese über den Energiesparplan der Stadt Hamburg
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Die Lage ist ernst
Unter anderem werde die Raumtemperatur in den Büros der Stadt auf 20 Grad reduziert, die Warmwasserversorgung in Teeküchen und Sanitäranlagen sei weitgehend eingestellt. Darüber hinaus dürfen Klimaanlagen in den Büros die Temperatur nur noch auf maximal 26 Grad kühlen.
Weniger Beleuchtung und Brunnenfontänen
Kerstan sagte, auch werde die Beleuchtung in Parks reduziert, soweit die Sicherheit dies zulasse. Darüber hinaus würden zahlreiche Brunnen abgeschaltet, darunter die Alsterfontäne an der Binnenalster und die Wasserspiele bei Planten un Blomen.
Diese Maßnahmen sind geplant
Folgende kurzfristig wirksame Maßnahmen sind konkret geplant:
- Die Raumtemperatur in Büros der öffentlichen Gebäude soll auf die Mindesttemperatur nach „Arbeitsstättenrichtlinie für Arbeitsräume mit vorwiegend sitzender Tätigkeit“ reduziert werden (aktuell: 20°C).
- In Fluren, Hallen, Foyers, Technik- und Kopierräumen sowie WCs und Teeküchen sollen die Thermostate prinzipiell auf die Werte herunterreguliert werden, die nach geltenden Arbeitsschutzvorschriften die jeweiligen Mindestwerte sind (aktuell: 21°C).
- Heizungsanlagen werden modernisiert und effektiviert durch einen hydraulischen Abgleich, eine schärfere Überwachung und Anpassung von Regelungseinstellungen des Heizsystems sowie die Installation intelligenter Thermostatventile. Die Erneuerung der Heizpumpen wird angestrebt. Wo angezeigt, wird die Wärmedämmung im Bereich der Heizkörper (Heizkörpernischen) verbessert.
- Hausmeister sowie Beschäftigte mit vergleichbarem Aufgabenbereich sollen die Funktion der Energiebeauftragten übernehmen können, die in ihren Dienststellen als Ansprechpartner und für Beratungen präsent sind. Dafür werden sie entsprechend qualifiziert werden.
- Der Energieverbrauch soll auch bei der Lüftung öffentlich genutzter Gebäude reduziert werden, soweit es die weitere Entwicklung der Covid-19-Pandemie zulässt. Das Stoßlüften soll zur Regel werden, mobile Luftreinigungsgeräte in gut belüftbaren Räumen sollen abgeschaltet werden und Raumlufttechnische Anlage sollen in ihren Normalzustand (vor der Pandemie) rückversetzt werden.
- Die Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden wird weiter modernisiert und möglichst reduziert: Im Innen- wie im Außenbereich ersetzen energiesparende LED-Leuchten herkömmliche Glühlampen und Leuchtstofflampen; auf Verkehrsflächen und Fluren, in Fahrrad-Abstellanlagen oder Sanitärräumen wird die Dauerbeleuchtung durch Bewegungsmelder ersetzt, bei Lichtsystemen mit automatischer Abschaltung soll die Dauer der Beleuchtung und im Übrigen der Anteil der tatsächlich genutzten Leuchten reduziert werden.
- Die Anzahl der Kopiergeräte und Drucker wird überprüft und reduziert.
- Die Nutzung privat beschaffter Kleingeräte, insbesondere Heizlüfter, Ventilatoren etc. ist schon jetzt teilweise untersagt und wird nun grundsätzlich unterbunden.
- Büros und vergleichbare Nutzflächen mit nur geringer Auslastung sollen abschnittsweise geschlossen werden, um Bedarfe an Heizung, Licht und IT zu reduzieren.
- Nicht genutzte Geräte müssen ausgeschaltet werden, wie zum Beispiel Steckerleisten nach Dienstschluss (kein Stand-by-Betrieb von Bildschirmen und Computern).
- Um Kühlung zu sparen sollen Büroräume im Sommer morgens und abends gelüftet und im Übrigen verschattet werden, um deren Aufheizen zu vermeiden. In der kalten Jahreszeit sollen Außenrollläden oder -jalousien heruntergelassen werden, um die Dämmwirkung zu nutzen.
- Warmes Wasser wird schon heute nicht flächendeckend in öffentlichen Gebäuden bereitgestellt. Soweit dies nicht aus funktionalen Gründen erforderlich ist (zum Beispiel Duschen an den Einsatzdienststellen der Feuerwehr), wird die Warmwasserbereitstellung komplett eingestellt und kleine Durchlauferhitzer (Untertischgeräte) insbesondere in WC-Anlagen außer Betrieb genommen.
- Die Voreinstellungen von Klimaanlagen werden in allen Dienstgebäuden überprüft, um unnötig tiefe Temperaturen z.B. in Büro- und EDV-Serverräumen zu vermeiden. Eine Kühlung auf weniger als 26 Grad ist in Büroräumen nicht vorzunehmen. Sollte der Bund hier die Arbeitsstättenrichtlinien verändern, wird diese Temperaturvorgabe entsprechend angepasst. In geeigneten Gebäuden werden die Zugänge auf einzelne ausgewählte Eingänge beschränkt.
- Alle elektrischen Geräte werden auf ihre Energieeffizienz überprüft und ggf. ausgewechselt. Der jeweilige Energieverbrauch soll durch Leistungsmesser besser erkannt werden, weshalb ein Leihsystem eingeführt werden soll.
- In Kühlschränken soll die Temperatur 7 Grad nicht unterschreiten.
- Auf das Anstrahlen von Denkmälern und öffentlichen Gebäuden wird weitgehend verzichtet.
- Außerhalb ihrer Nutzungszeiten werden Wege in Park- und Grünanlagen, bezirkliche Sportanlagen und Jogging-Strecken nicht mehr beleuchtet, ohne die Verkehrssicherung der Wege zu gefährden oder Angsträume zu schaffen.
- Jegliche Beleuchtung und alle Lichtzeichenanlagen sollen unter anderem durch Umrüstung auf LED modernisiert werden.
- Der Betrieb von Brunnenanlagen soll am 15. September 2022 eingestellt werden. Das betrifft zum Beispiel Brunnen am Platz der Republik in Altona, am Kaiser-Wilhelm-Platz in Bergedorf und den Brunnen im Innenhof des Hamburger Rathauses).
- Die Alsterfontäne sowie der Brunnen und der Geysir im Inselpark sollen abgeschaltet und die Wasserspiele sowie die Wasserlichtorgel in Planten un Blomen eingestellt werden.
- Die bei der Bäderland Hamburg GmbH schon durchgeführten Maßnahmen zur Temperaturabsenkung in den Außenbecken der Ganzjahresschwimmbäder von 28°C auf 25°C werden fortgeführt. Maßnahmen in den Hallenbädern werden noch geprüft.
- Im Bereich der Fernwärme der HEnW wird die Isolierung der Übergabestationen optimiert, entsprechende Umsetzungskonzepte werden angestoßen.
- Die in der Corona-Pandemie entwickelten Lösungen zur Reduzierung von Dienstreisen, wie vor allem Videokonferenzen, werden intensiv weiter genutzt.
- Hamburg wird eine Energiedatenbank für alle FHH-Gebäude schaffen, z.B. auf Basis von bestehenden Systemen städtischer Energiegesellschaften.
- Die Nutzung von Aufzügen wird eingeschränkt, soweit es die Zugangsmöglichkeiten für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht beeinträchtig und objektbezogen umsetzbar ist. Paternoster werden ausgeschaltet.
Zudem sollen Homeoffice-Möglichkeiten ausgebaut werden. Im Gespräch sind auch Brückentagschließungen oder die Verlängerung der Abwesenheitstage über das Wochenende kann dies zu einer Reduzierung der Heiztage und sonstiger Energieverbräuche führen.
Diese weiteren Maßnahmen kommen auf die Hamburger zu
- Die bereits im Rahmen des Klimaplanes verfolgten Maßnahmen zur energetischen Sanierung von Gebäuden werden verstärkt. Hier soll insbesondere die bereits eingeleitete verstärkte Fernwärmeversorgung, die Verbesserung der Isolierung, die Nutzung regenerativer Energien, insbesondere auch die Nutzung von Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern öffentlicher Gebäude, mehr Fassaden- und Dachbegrünungen für Kühlungszwecke, mehr Ladesäulen für Kraftfahrzeuge und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder weiter vorangetrieben werden.
- Die Einsparpotenziale von Freizeiteinrichtungen, wie Schwimmbädern und Eislaufflächen sowie der bezirklichen Sportanlagen, werden untersucht, z.B. hinsichtlich der weiteren Absenkungen von Raum- und Wassertemperaturen oder die Einschränkung von Öffnungszeiten.
- Hamburg wird rechtlich und technisch prüfen, ob und wo die Heizgrenztemperatur am Beispiel der Schweiz von 15° auf 12° abgesenkt werden könnte.
Gasverbrauch in Hamburg stark rückläufig
Insgesamt liege der Gasverbrauch in Hamburg bei 21 Terrawatt-Stunden, wobei ein Drittel an die Industrie gehe. Kerstan lobte die bereits erfolgten Anstrengungen beim Energiesparen. So habe ganz Hamburg in der vergangenen Woche im Vergleich zum Vorjahr schon 35 Prozent weniger Gas verbraucht. In den Haushalten und im Kleingewerbe seien es 16 Prozent. Es scheine so zu sein, dass viele den Ernst der Lage begriffen hätten, sagte Kerstan. "Wir müssen noch eine Schippe drauflegen."
Energiesparkampagne für die Stadt
Aber insgesamt muss ganz Hamburg muss Energie sparen. Um Bürger, Unternehmen sowie Vereine und Verbände zu motivieren, aber auch konkret zu helfen, bereiten der Senat, die Kammern und weitere Partnerorganisationen eine Energiespar-Initiative vor. Ab September 2022 sollen Info-Teams in der Stadt Tipps und Beratungsangebote anbieten, eine gemeinsame Internetseite soll entsprechende Informationen bündeln. Bereits gestartete Energiespar-Kampagnen können sich dieser Initiative anschließen. Ziel ist, ganz Hamburg zum Mitmachen beim Energiesparen zu motivieren.
Hamburger sollen auf keinen Fall mit Strom heizen
Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat trotz einer drohenden Gasmangellage eindringlich vor dem Kauf von Heizlüftern und Elektroheizungen gewarnt. "Bitte kaufen Sie sich keine elektrischen Heizlüfter und keine elektrischen Radiatoren. Sie ruinieren sich damit finanziell", warnte Kerstan. Strom zum Heizen koste vier Mal so viel wie Gas. Hinzu komme, dass solche, im großen Stil eingesetzten Heizlüfter in einzelnen Straßenzügen zum Kollaps des Stromnetzes führen könnten. "Ich kann Ihnen sagen, Sie brauchen die Dinger nicht."
Foto: Bloomicon / Shutterstock.com
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