05. Juli 2023 – Sebastian Tegtmeyer

Palästinenser Ibrahim A. vor Gericht

Prozess um tödliche Messerattacke von Brokstedt startet Freitag

Ein junges Paar stirbt durch die Messerattacke in einem Zug bei Brokstedt. Vier weitere Fahrgäste werden schwer verletzt. Wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs muss sich der Palästinenser Ibrahim A. ab Freitag (07.07.) vor Gericht verantworten.

Das furchtbare Geschehen in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg hat bundesweit für Entsetzen und Trauer gesorgt: Am 25. Januar sterben durch eine Messerattacke nahe des Bahnhofs im schleswig-holsteinischen Brokstedt eine 17-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Freund. Der mutmaßliche Täter Ibrahim A. verletzt mit einem Messer zwei weitere Frauen und zwei Männer schwer. Am Freitagmorgen (07.07.) beginnt nun vor dem Landgericht Itzehoe die juristische Aufarbeitung des Messerangriffs - sie wird Monate dauern.

Vorwurf des zweifachen Mordes und vierfachen versuchten Mordes

Ibrahim A. muss sich wegen zweifachen Mordes und vierfachen versuchten Mordes verantworten. Gut ein Vierteljahr nach der Tat hatte die Staatsanwaltschaft Itzehoe Anklage gegen den 34 Jahre alten Palästinenser erhoben - jeweils aus niedrigen Beweggründen und in Heimtücke. Eine bei dem tödlichen Messerangriff verletzte Frau nahm sich später das Leben. Bei allen Opfern handelte es sich um Fahrgäste des gut gefüllten Regionalzuges. Acht Nebenkläger treten in dem Verfahren auf.

127 Zeugen wurden benannt

"In der Anklage wurden 127 Zeugen benannt", sagte Landgerichtssprecherin Frederike Milhoffer. Ob diese tatsächlich alle vom Gericht gehört werden, werde die Beweisaufnahme zeigen. Für den Prozess sind 39 Verhandlungstage angesetzt bis kurz vor Weihnachten. Am Freitag sind nur die Verlesung der Anklageschrift sowie möglicherweise eine Erklärung der Verteidigung oder eine Einlassung des Angeklagten geplant. Die Beweisaufnahme und die Befragung der ersten Zeugen sind erst am 17. Juli vorgesehen.

Psychischer Zustand wird eine Rolle spielen

Der psychische Zustand des Mannes wird in dem Prozess eine Rolle spielen. Gerichtssprecherin Milhoffer betonte, die Schuldfähigkeit des Angeklagten werde mit Hilfe eines Sachverständigen in dem Verfahren geprüft. Verteidiger Björn Seelbach wollte sich vorab nicht zu dem Prozess äußern. Früheren Angaben des Rechtsbeistands zufolge bestreitet sein mehrfach kriminell in Erscheinung getretener Mandant Ibrahim A. die Tat nicht.

"Die Tathandlungen des Angeschuldigten, der das Messer zuvor in einem Supermarkt entwendet haben soll, resultierten aus Sicht der Anklage aus Verärgerung über seine aus vielen Gründen ungeklärte persönliche Situation", hatte Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow nach Verkündung der Anklage erklärt. "Wir gehen von Schuldfähigkeit aus", sagt der Jurist vor Prozessbeginn.

Mann wurde kurz vor der Tat aus einer Untersuchungshaft entlassen

Der Mann war erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke aus einer Untersuchungshaft entlassen worden, die er in Hamburg wegen einer anderen Straftat abgesessen hatte. Während dieser Zeit hatte er sich wegen psychischer Auffälligkeiten 16 Mal mit einem Psychiater getroffen.

Fall sorgte für politische Diskussionen

Der Fall Ibrahim A. hat auch eine politische Dimension, er entfachte eine Debatte um die Sicherheit in Zügen und auf Bahnhöfen sowie den Umgang mit ausländischen Intensivtätern. Die Attacke beschäftigte mehrere Landesparlamente, weil es klare Mängel beim Austausch von wichtigen Informationen zwischen Behörden in Hamburg, Kiel und Nordrhein-Westfalen gegeben hatte, wo Ibrahim A. jeweils lebte und auch Straftaten beging. Wenige Monate vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Gefängnis soll sich der mutmaßliche Mörder mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen haben.

Derzeit sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft

Dort fiel er mehrfach wegen aggressiven Verhaltens auf, galt als schwieriger Gefangener. Nach einem Bericht der Gewerkschaft GdP soll er regelmäßig Bedienstete bedroht und beschimpft haben. Ende Juni wurde bekannt, dass er in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Neumünster Feuer legte, das nach Angaben der Anstaltsleiterin aber schnell gelöscht wurde.

Holzkreuz am Bahnhof in Brokstedt erinnert an die Opfer

In Brokstedt erinnert ein neben einem Wartehäuschen stehendes Holzkreuz mittlerweile an die beiden Todesopfer des Messerangriffs. Darauf sind mit dem Datum des Vorfalls am 25. Januar die Namen "Danny" und "Ann-Marie" eingeritzt, verbunden mit einem Herzen. "Auch wenn es unfassbar schwerfällt, einen Weg zu finden, auf dem wir weitergehen können ohne Ann-Marie - wir werden ihn finden", sagten die Eltern dem Magazin "Stern". Beide haben kaum Erinnerungen an den Abend und die Tage danach. "Das war so, als würde sich ein großes Loch auftun, und man fällt und fällt", sagte der Vater. Bei dem Prozess dabei sein wollen die Eltern nicht.

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(Quelle: dpa)

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