11. Oktober 2022 – Zoe Groening (deaktiviert 16.07.24)

"Ich gehe davon aus, dass wir nach dem Ergebnis gestern eine rot-grüne Landesregierung haben werden"

Rasche Einigung beim Regierungsbündnis in Niedersachsen

Die Wahl in Niedersachsen hat Sieger und Verlierer gebracht. Die CDU als Verliererin sucht eine neue Landesführung. Die Sieger SPD und Grüne wollen schnell verhandeln. Die Ökopartei weiß sogar schon, wie viele Minister sie will. Gelingt eine "Regierung des Aufbruchs"?

Landtagswahl Niedersachsen
Foto: PhotoSGH, Shutterstock

Am Tag nach der Landtagswahl in Niedersachsen haben SPD und Grüne eine rasche Einigung auf ein Regierungsbündnis in Aussicht gestellt. "Ich gehe davon aus, dass wir nach dem Ergebnis gestern eine rot-grüne Landesregierung haben werden", sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Montag (11.10). Kurz darauf deutete er an, schon an diesem Donnerstag könnten erste Sondierungen beginnen. Die Grünen erklärten nach einer Sitzung ihres Landesvorstands, eine "Regierung des Aufbruchs" bilden zu wollen. "Wir nehmen die Verantwortung ernst", sagte Co-Chefin Anne Kura am Abend. Das bisher beste Wahlergebnis in Niedersachsen mit 14,5 Prozent der Stimmen und drei Direktmandaten stärke die Partei.

SPD ist stärkste Partei in Niedersachsen

Am Sonntag (09.10) hatten die Wählerinnen und Wähler die SPD mit 33,4 Prozent der Stimmen erneut zur stärksten politischen Kraft in Niedersachsen gemacht. Die bislang mitregierende CDU erlitt mit 28,1 Prozent eine herbe Niederlage, ihr Spitzenkandidat und Landesvorsitzender Bernd Althusmann kündigte seinen Rückzug an. Der Vorstand der Landespartei wollte die Suche nach einem neuen Vorsitzenden einleiten. Auch die AfD (10,9 Prozent) legte kräftig zu. Die FDP scheiterte mit 4,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde. Ihr Landeschef Stefan Birkner soll nach Parteiangaben vorerst im Amt bleiben, am Abend berieten die Liberalen in einer Digitalschalte. Als Termin für die konstituierende Sitzung des neuen Landtags wird der 8. November genannt.

SPD sieht viel Gemeinsames mit den Grünen

Weil hatte noch in der Wahlnacht schnelle Gespräche mit seinem Wunschpartner, den Grünen, in Aussicht gestellt. Der 63-Jährige strebt als Regierungschef im zweitgrößten Flächenland seine dritte Amtszeit an. Ein rot-grünes Bündnis hat er bereits von 2013 bis 2017 geführt. Zwar seien Koalitionsverhandlungen nie einfach, doch es gelte: "Die Ziele sind in hohem Maße identisch, und der Wille zusammenzuarbeiten ist in dieser Hinsicht sehr ausgeprägt." Auch sein Parteivize Olaf Lies sah gute Chancen auf Rot-Grün. Angesichts der Energiekrise und Sorgen der Menschen wäre es gut, wenn die neue Koalition bereits vor der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags unter Dach und Fach sei, sagte er. Ein vorrangiges Ziel sei, das von Weil in Aussicht gestellte niedersächsische Rettungspaket für Firmen und Haushalte schnell auf den Weg zu bringen. Wie viele Ministerposten SPD und Grüne erhalten sollen, sagte Lies nicht.

Grüne wollen drei bis vier Ministerien

Die Grünen gingen selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen, sagte deren Co-Landesvorsitzender Hans-Joachim Janßen. "Wir werden Anspruch auf drei bis vier Ministerien erheben können." Auch der Zuschnitt der Ministerien werde dabei eine Rolle spielen. Am Abend bestätigte die Partei für diesen Donnerstag ein "Auftaktgespräch" mit der SPD. Spitzenkandidatin Julia Willie Hamburg sagte, die neue Regierung solle Niedersachsen und die Wirtschaft klimaneutral aufstellen. Auch soziale Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit seien Schwerpunkte. "Ich denke, am strittigsten wird der Bereich Mobilitätswende sein. Da haben wir mit der SPD eine Partei, die doch noch sehr aufs Auto schaut. Und wir wollen eher in Richtung Mobilitätswende gehen: also mehr Bahn und Bus, mehr Radverkehr", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Und: "Wir werden schnellstmöglich unabhängig von russischem Gas, aber auch von fossilen Trägern werden."

CDU sucht einen neuen Vorsitzenden

Bei den Christdemokraten zeichnete sich eine Personalentscheidung ab: Niedersachsens CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner (41) kündigte seine Kandidatur für den Fraktionsvorsitz an. Sein Ziel sei es, eine "konstruktive, klare, aber auch in vielen Themen vielleicht auch ein Stückchen andere Oppositionsarbeit" zu machen. "Blockade-Opposition" werde die Union nicht sein. Zum Rückzug Althusmanns vom Landesvorsitz sagte Lechner, es gehe darum, die Nachfolge "in den nächsten Wochen so zu beraten, dass wir uns breit getragen aufstellen". Althusmann (55) hat nun zum zweiten Mal erfolglos versucht, Weil als Ministerpräsident zu beerben. "Wir müssen klären, warum es der CDU nicht ausreichend gelingt, mit ihren eigenen Themen durchzudringen", sagte er der dpa. "Dabei werden wir nicht nur auf diese Wahl schauen, sondern auch auf die Bundestagswahl 2021 und die vergangenen 16 Jahre." So lange hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) regiert. Einen designierten Nachfolger sieht Althusmann nicht. "Es ist normal, dass schnell darüber gesprochen wird, wer es machen soll. So ganz eindeutig drängt sich aber noch keine Lösung auf", sagte er. Die CDU will nach den Herbstferien einen Parteitag abhalten.

FDP hält vorerst an Landesvorsitzendem fest

FDP-Landeschef Birkner werde trotz des Ausscheidens der Partei aus dem Landtag zunächst im Amt bleiben, kündigte Generalsekretär Konstantin Kuhle an. Personelle Fragen sollten bei der Sitzung des Landeshauptausschusses in vier Wochen und auf dem Landesparteitag im März geklärt werden. Birkner sagte in Berlin, nach fast 20 Jahren im Landtag richte sich die Partei jetzt auf außerparlamentarische Arbeit ein. "Das ist alles andere als erfreulich." Der FDP-Landesvorstand beriet sich am Montagabend (10.10) in einer digitalen Konferenz. Kuhle appellierte an die Liberalen im Bund, nach der Wahlschlappe den Frieden in der Koalition mit SPD und Grünen nicht zu gefährden. Das Regierungshandwerk in der Ampel müsse besser werden, die FDP aber in der Koalition bleiben, sagte der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion. Die Freidemokraten führen die Stimmenverluste darauf zurück, dass sie in der Ampel nicht genug Profil zeigen können. Sie wollen mehr eigene Themen durchsetzen. Der Göttinger Politikwissenschaftler Andreas Busch gab hingegen zu bedenken, dass auch das Verhalten der FDP als "Innerregierungs-Opposition" sie Stimmen gekostet haben könnte. "Das ist offenkundig etwas, das nicht besonders populär ist."

AfD will Fraktion zusammenhalten

Die erstarkte AfD kündigte eine konstruktive Oppositionsarbeit im Landtag an. "Wir werden immer die Themen aufgreifen, die den Bürgern unter den Nägeln brennen", sagte ihr Wahlkampfmanager Jens Brockmann. "Wir werden konstruktiv unseren Beitrag leisten." Dazu gehöre auch, Vorschläge anderer Parteien zu unterstützen, wenn die AfD deren Inhalt befürworte. Wichtig seien ihr die Versorgungssicherheit der Bevölkerung in der Energiekrise und die innere Sicherheit, etwa mit der Präsenz der Polizei im ländlichen Raum. Angesichts des guten Abschneidens bei der Wahl werde voraussichtlich AfD-Spitzenkandidat Stefan Marzischewski-Drewes den Fraktionsvorsitz übernehmen, sagte Brockmann. Die konstituierende Sitzung sei am Dienstag (12.10) geplant. "Natürlich wird diese Fraktion die nächsten fünf Jahre durchhalten." Die vorherige AfD-Fraktion war mitten in der laufenden Regierungsperiode nach internen Streitigkeiten zerbrochen.

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(Quelle: dpa/lni)

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