09. März 2022 – Stefan Angele
Hamburg steht bei der Unterbringung und Versorgung der ukrainischen Kriegsflüchtlinge vor ähnlich großen Herausforderungen wie während der Flüchtlingskrise 2015/2016. Allein am Montag (07.03.) seien 1.600 Menschen in Hamburg angekommen, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) am Dienstag (08.03.).
Mehr als in der Syrienkrise
"Das ist mehr als wir in den Jahren 2015/16 an unseren Rekordtagen hatten. Und wir rechnen damit, dass es in den kommenden Tagen so weitergeht." Deswegen würden große Anstrengungen unternommen, die Registrierung und Unterbringung der Flüchtlinge zu beschleunigen. Jedoch sei die Registrierung ein aufwendiger Prozess. "Wir bemühen uns sehr, dass sich die Situation vor Ort sobald wie möglich entspannt." Vor dem Hintergrund langer Warteschlangen vor der zentralen Ankunftsstelle in Rahlstedt in den vergangenen Tagen sprach die CDU-Opposition von unhaltbaren Zuständen.
Situation an Meldestellen schwierig
Leonhard räumte ein, dass die Situation in Rahlstedt schwierig sei. Ukrainer, die privat untergekommen sind, sollten nicht mehr dorthin kommen, sondern sich in der Zentralen Ausländerbehörde in der Hammer Straße in Wandsbek registrieren lassen, sagte sie. Nur wer noch keine Unterkunft habe, müsse auch weiterhin nach Rahlstedt. Die Warteschlange dort war am Dienstag nach Augenzeugenberichten nicht mehr so lang wie an den Vortagen. In der Hammer Straße warteten ebenfalls Dutzende Flüchtlinge auf ihre Registrierung. Am Montag hätten Geflüchtete in Rahlstedt sechs bis sieben Stunden in der Schlange angestanden, sagte Hendrikja Witt von der Initiative "Meiendorf hilft", die sich vor der zentralen Ankunftsstelle um die Flüchtlinge kümmert. "Gestern war es chaotisch, mit zwischendurch verschwundenen Kindern."
Opposition beklagt mangelnde Vorbereitung
Die CDU hielt dem Senat unzureichende Vorbereitung vor. "Es kann nicht sein, dass von den Strapazen der Flucht betroffene Kinder und Frauen stundenlang in der Kälte warten müssen", sagte Fraktionschef Dennis Thering. Die Registrierung der Flüchtlinge müsse umgehend verbessert werden."Dafür braucht es vor allem eine deutliche Personalaufstockung." Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sei absehbar gewesen, dass der Strom der Flüchtlinge stark ansteigen werde, sagte auch die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. "Rot-Grün hat aber augenscheinlich nicht genug Kapazitäten - vor allem Personal - vorgehalten, um den Ansturm zu bewältigen." Bürgermeister Peter Tschentscher habe aber genau dies versprochen.
Bisher mehr als zwei Millionen Flüchtlinge
Laut den Vereinten Nationen sind aus der Ukraine mittlerweile mehr als zwei Millionen Menschen geflohen. Die meisten Menschen seien nach Polen sowie nach Ungarn, Rumänien, Moldau und in die Slowakei gegangen, sagte eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Die Zahl der in Hamburg ankommenden Flüchtlinge war nach Angaben der Innenbehörde am Wochenende sprunghaft gestiegen.
Messehallen-Erstaufnahme schon fast voll
Eine erst am Montag neu eingerichtete Flüchtlingsunterkunft in den Messehallen war am Dienstag bereits halb voll. In der Nacht seien die ersten rund 450 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Bussen in die Unterkunft gebracht worden, sagte Markus Kaminski vom Deutschen Roten Kreuz, das die Einrichtung betreibt. 950 Plätze stehen dort bereit. Die Unterkunft in der riesigen Messehalle besteht aus durch Trennwände abgegrenzte Kabinen, in denen jeweils zwei Doppelstockbetten aufgebaut sind. Die Flüchtlinge sollen dort nach Angaben der Innenbehörde nicht dauerhaft bleiben, sondern möglichst rasch auf andere Unterkünfte in der Stadt verteilt werden.
Viele Coronafälle unter Flüchtenden
Auch die hohe Zahl an Corona-Infizierten unter den Flüchtlingen stellt die Behörden vor Herausforderungen. "Die Positivquote ist hoch", sagte Leonhard. Insgesamt sei die Impfquote in der Ukraine mit etwa 35 Prozent gering. Auch sei dort in vielen Fällen der chinesische Impfstoff Sinovac verabreicht worden, der eine nicht so überzeugende Wirkung habe. Von allen Flüchtlingen werde bei der Unterbringung in öffentlichen Unterkünften ein Corona-Test verlangt. Die Unterbringung der positiv getesteten Menschen sei natürlich aufwendiger, sagte die Senatorin. "Wir können auch noch in vorhandener öffentlich-rechtlicher Unterkunft Quarantäne realisieren. Wir haben auch Hotel-Standorte, die wir dafür mit nutzen können." Angesichts des großen Flüchtlingszustroms werde die Aufgabe aber jeden Tag größer. Die hohe Positivquote unter den Flüchtlingen mache sich auch in den Corona-Zahlen der Stadt bemerkbar. "In unserer gegenwärtigen Infektionssituation fallen natürlich 100, 200 Extrainfektionen ins Gewicht, das ist so", sagte Leonhard.
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